Trekking Vogesen 2023
Vogesen mit dem Zelt
Trekking Vogesen Zelt
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Reiseziel im Überblick
Einleitung
Vorbereitung und Planung
Unsere Tour im Überblick
Nützliche Links
Klettersteig Col Du Bussang
Reisebericht
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Land | Region | Frankreich | Vogesen |
Reiseroute | Start in Sainte Marie aux Mines, über den Hauptkamm bis nach Giromagny |
Reisezeit | Dauer | 27.Mai bis 08.Juni 2023 | 13 Tage, davon 2 Ruhetage |
Klima | Wetter | gemäßigtes Klima mit Kontintenalklima | Die Sommer sind heiß, die Winter schneereich |
Reiseart | Aktivität | Trekkingtour zu Fuß |
Übernachtung | vorrangig wild im Zelt, Campingplätze als Alternative in urbanen Gebieten |
Flora | Fauna | teils dichte Buchenwälder, in höheren Lagen kleine Kiefernbestände, über 1200m meist waldfrei | Gämse und Rehe oft gesichtet |
Sicherheit | Tourismus | sicheres Reiseland | viel Tourismus in den Tälern und an den Passüberfahrten, gerade am Wochenende |
Anreise | Anreise mit Auto zum Startpunkt, Rückreise ab Belfort mit Zug/ Bus zurück zum Startpunkt |
Wildnis Faktor | In Kammnähe und abseits der Touristenmagneten sehr einsam und wild, mittlerer Wildnis-Faktor |
Kocher Info | Genügend Tankstellen in den Orten links und rechts des Kamms im Tal. Auf dem Kamm keine Tankstelle |
Einkaufsmöglichkeiten | Nur in den Talorten, die meist 500 bis 800 Höhenmeter tiefer liegen. An den Passübergängen nur Restaurants/ Hotels |
Einleitung Trekking Vogesen Zelt zurück zur Liste
Ein Hinweis vorab: Für einige Destinationen schreibe ich immer Reiseführer, die man bei Amazon als Buch oder Kindle erwerben kann. Bei dieser Reise werde ich darauf verzichten und alle Informationen hier gratis zur Verfügung stellen. Die Entscheidung hängt am Umfang und der Reichweite dieser Tour. Nichtsdestotrotz war diese Reise für uns mal wieder ein tolles Erlebnis. Haben Dir die Informationen hier weiter geholfen, inspiriert und möchtest Du Dich dafür mit einer kleinen Spende bedanken, kannst Du das gerne hier tun. Wir würden uns sehr freuen.
Irgendwie hatte mich 2023 kein naheliegendes Flugziel in Europa angemacht und so kramte ich aus meiner Bucketlist mal wieder das Sumava mit seinen Wildcamps hervor. Schnell war es auch wieder ad acta gelegt, weil es nach kurzer Recherche einfach nicht passen sollte. Der Start- und Zielpunkt der Tour lag so ungünstig, dass man mit dem ÖPNV umständliche Wege in Kauf nehmen musste. Außerdem hätte die Tour nur 7 Tage gedauert, ich wollte aber mehr. Keine Ahnung, wie ich dann auf die Vogesen kam, aber erstens lagen die näher und zweitens waren dort Freunde von mir immer unterwegs.
Wie immer fängt alles also mit Recherchen an. Mal hier geschaut, mal dort geschaut. Viel gelesen, viel verglichen, schon mal grob eine Route geplant. Mir fielen gleich die Hochvogesen ins Auge, die von den Nord- und Südvogesen eingeschlossen werden. Dieser zentrale Teil ist mit einer Höhenlage von über 1000 Metern der höchste Abschnitt. Überall, außer in Deutschland, scheint auch das Problem ÖPNV nicht existent zu sein. Immer mehr vertiefte ich mich in die Planung und war schon ganz euphorisch, zumal auch das wilde Zelten in Frankreich entspannter gesehen wird und außerhalb der Schutzgebiete das sogenannte Biwakieren erlaubt ist.
Doch nie läuft irgendetwas glatt. Der Kammweg war schon soweit geplant, doch immer stieß ich auf ein großes Problem. Wie sollte ich für eine fast zweiwöchige Tour Proviant mitnehmen? Auf dem Kamm gab es keinerlei Orte und an den Passstraßen, die wir queren würden, gab es nur Restaurants oder Hotels. Würden wir dann mal kleinere Orte auf dem Kamm passieren, gab es dort keine Einkaufsmöglichkeiten. Natürlich gab es die Option, immer wieder ins Tal zu wandern, um dann wieder auf den Kamm zurückzukehren. Wir würden so viel Zeit verlieren und die Tour unnötig schwer machen.
Doch dann kam mir eine brilliante Idee.
Vorbereitung und Planung zurück zur Liste
Ich hatte in Betracht gezogen, vom Kamm einfach per Bus oder Anhalter in die Talorte zu gelangen. Das gleiche dann wieder, um auf den Kamm zurückzukommen. Das war alles natürlich sehr wage, ob es klappen und wieviel Zeit es beanspruchen würde. Eines Abends kam mir dann ein Geistesblitz. Ich hatte sowas noch nie getan, aber was sprach denn gegen die Option von Proviantdepots? Nur allein dieser Gedanke brachte mich zum Schmunzeln. Je mehr ich aber darüber nachdachte, umso perfekter passte diese Option in unseren Plan.Wir könnten unsere Tour nach Belieben planen und wären nicht auf äußere Faktoren angewiesen.
Nun gut, die Idee stand, aber wie sollte die Umsetzung klappen? Täve beteiligte sich bei der Diskussion und hatte viele Einwände und Fragen. Wo sollten wir die Depots anlegen? Wer sollte es für uns dort deponieren? Was sollte alles da rein? Wie konnten wir es sicher verpacken und verstecken? Würden wir die Depots wiederfinden? Fragen über Fragen, die aber mehr und mehr beantwortet wurden.
Auf der Hinfahrt zu unserem Startpunkt wollten wir mit dem Auto die Passübergänge anfahren und so auf der Wanderstrecke verteilt drei Depots anlegen. Als Verpackung wählten wir große Ortlieb-Rollsäcke für zwei Depots, die zum einen wasserdicht und zum anderen sehr stapazierfähig sind. Das dicke Material würde hoffentlich die großen Tiere und die kleinen Nager und Beißer fernhalten. Für das erste Depot in Bonhomme nutzten wir alte, große Plastikwasserflschen, da sich am Parkplatz ein Mülleimer befand, wo wir alles entsorgen konnten. Andere festere Umverpackungen kamen nicht in Frage, weil wir sie hätten in der Natur lassen oder mitnehmen müssen.
Damit die Säcke versteckt und geschützt waren, wollten wir diese an den auserwählten Punkten vergraben. Dazu noch oben mit Ästen und Steinen beschweren und darauf hoffen, dass es Tiere und Menschen fernhalten würde. In die Säcke kam nun Proviant rein, welches nicht verderblich war. Wir planten mit etwas Puffer und packten lieber zuviel als zu wenig in die Säcke. Fix waren nun die drei Pässe, die Umverpackung und der Inhalt. Nur eines war noch ungewiss. Wo genau würden wir vor Ort dann einen idealen Platz finden und würden die Säcke nach ein bis zwei Wochen dann auch noch da oder/und unversehrt sein?
Unsere Tour im Überblick zurück zur Liste
Eines war nun sehr einfach: Die Tourenplanung. Ich rechnete mir die Strecke zwischen den drei Depots aus und konnte so die Gesamtroute gut einteilen. Als Startpunkt wählte ich Sainte Marie aux Mines, da es einen Campingplatz, einen Supermarkt und eine Bushaltestelle bot. Ein Ziel war nicht fixiert, aber Giromagny oder Belfort angestrebt, egal wie wir es am Ende erreichen würden. Wir behielten uns die Option, Teilstrecken gegen Ende dann auch mit dem Bus zu bewätigen, weil ab Giromagny die Vogesen auslaufen und nicht mehr attraktiv genug für uns schienen.
Die Tagestouren an sich würden nur am Anfang und in der Mitte bei Wildenstein etwas anstrengender sein. Hier würde längere Anstiege mit bis zu 500 Höhenmetern folgen. Es handelt sich nun mal um ein Mittelgebirge, wo sollen da auch 1000 Höhenmeter zusammenkommen? Also tendenziell würden die Touren hügelig und entspannt ausfallen und immer nahe dem Hauptkamm von Nord nach Süd verlaufen.
Einen wichtigen Fakt musste ich jedoch hinsichtlich des Biwakierens beachten: Unsere Route würde durch drei Schutzgebiete verlaufen: Le Grand Ventron (Vosges und Haut-Rhin), Les Ballons Comtois (Haut-Rhin und Territoire de Belfort) und Le Tarnet – Gazon du Faing (Haut-Rhin). Diese Schutzgebiete markierte ich mit einem Camping-Verbot im Track. Weitere Gebiete in der Umgebung waren Des Pays de Bitche, Frankenthal, Machais Bog, Bastberg Hill, Hochschnitzer oder die Wegscheid Vulkane. Meist waren dann die Schutzgebiete vor Ort auch ausgeschildert, teilweise aber die Grenzen sehr schwammig.
Vor Ort wurden wir mehrmals beim campen entdeckt, es gab aber nie Probleme mit den Einheimischen. Über die Wasserversorgung machte ich mir aufgrund der Lage der Vogesen keine Sorge. Durch die Nord-Süd-Ausrichtung sind die Vogesen als sehr regenreiches Gebiet bekannt, weil sie der atlantitischen Westwindlage als erste im Weg stehen. Vor Ort gab es jedoch oft Probleme und wir mussten lange suchen oder lange Wege in Kauf nehmen.
Als Depotplätze wählten wir Col du Bonhomme, dann Col de la Schlucht und als letztes Col du Bussang. An letzterem Pass, welchen wir am Anreisetag mit dem Auto als erstes anfahren würden, gab es einen Klettersteig. Diesen statteten wir natürlich auch einen Besuch ab und Täve war vollends begeistert von der Idee. So würden wir den Tag nicht nur im Auto sitzen, sondern auch was unternehmen. Hierzu folgt auch ein kleiner separater Bericht weiter unten. Am Startort planten wir die Nacht auf dem Campingplatz ein. In dem ruhigen Ort fand ich auch eine sichere und kostenfreie Parkmöglichkeit und für die Rückfahrt lud ich mir die App der franzözischen Bahnen SNCF aufs Smartphone. So konnte ich dann spontan Auskünfte vornehmen und Tickets buchen.
Wie wir das Ende gestalten würden, behielten wir uns offen. Keiner wusste, wann wir wo und in welchen Zustand ankommen würden. Wir buchten also weder eine Übernachtung noch Fahrkarten. Das alles ließen wir dann spontan auf uns zukommen. Aufgrund des EU-Daten-Roamings und dass überall auf der Welt besseres Netz ist als in Deutschland waren wir mit dem Smartphone immer stets auf Empfang. Es gabe nur temporäre, kleine Funklöcher.
Hier GPX Datei Trekking Vogesen Zelt als Download erhältlich
Nützliche Links zurück zur Liste
Vogesenmassiv | Erste Überblick über die Hochvogesen, jedoch eher touristisch ausgerichtete Seite |
Wikipedia | Logisch, immer ein guter Überblick mit Informationen und Links |
Quietude | Regeln, Informationen, Verbote in den Schutzgebieten, wichtig für das Thema wild zelten/ biwakieren |
Refuges Info | Übersichtskarte mit Schutzhütten, Trinkwasser etc. |
Liz Map | Karte mit den Schutzgebieten |
Quietude Liste | Übersicht aller Schutzgebiete in einer Liste mit Verboten und Regeln |
Campingplatz in Sainte Maries Aux Mines | Seite vom Campingplatz Les Reflets am Startort. Leider nur auf französisch |
Campingplatz Du Schlossberg | Seite vom Campingplatz in Wildenstein, auch auf deutsch |
Klettersteig.de | Informationen zum Klettersteig am Col Du Bussang |
Hotel Kyriad | Unser Hotel in Belfort, nahe dem Bahnhof und Stadtzentrum |
Klettersteig Col Du Bussang zurück zur Liste
Am 27.Mai 2023 war unser Anreisetag vom Bodensee in die Vogesen. Unser erster Stopp war das dritte Depot am Col Du Bussang. Bei der Planung entdeckte ich durch Zufall genau dort einen Klettersteig. Viel zu lesen gab es darüber nicht, aber er schien nicht schwer und anspruchsvoll zu sein. Wir packten also unsere Klettersteig-Sets ins Auto und parkten unterhalb des Steiges auf dem kostenfreien Schotterparkplatz.
Rechts einer großen Tafel geht es einen schmalen Bergpfad nach oben. Irgendwann ist dann auch der Klettersteig ausgeschildert. Eine kleine Info-Tafel steht dann am Einstieg. Es geht ganz entspannt los und auch auf den weiteren Teilstücken wird es nicht wirklich schwer. Teilweise gehen wir unversichert des Weges. Hier wurden teilweise Versicherungen im horizontalen Gelände angelegt. Da wollte Einer entweder richtig sicher gehen oder hier musste auf Teufel komm‘ raus ein Klettersteig her.
Es folgen bald ein starrer Holzbalken und eine kleine Hängebrücke. Alles halbsowild, wenn man trittsicher und schwindelfrei ist. Alles ist immer noch sehr gut gesichert, ein klassischer Steig für Anfänger. Irgendwann teilt sich dann der Steig. Nach links ist „facile“ also leicht und geradeaus „difficile“ (schwer) ausgeschildert. Wir fühlen uns noch unterfordert und können zur Not ja immer noch die Notaustiegsoption wählen.
Nun wird es erstmals und auch einmalig etwas anspruchsvoller. Die Wand wird steiler und Tritte wie Griffe sind etwas schwieriger zu erreichen. Die Stelle meistern wir beide aber entspannt und steigen bald aus der Wand auf ein Plateau. Ab hier ist es Geschichte. Ein kleiner Wald und ein Aussichtspunkt laden zur Pause ein, die wir gerne annehmen. Es ist heiß und wir sind gut ins schwitzen gekommen. Nach der Pause folgen wir dem Pfad weiter. Etwas weiter oben soll noch eine weitere Kletterpassage kommen, aber die sparen wir uns. Wir steigen auf einem bequemen Wanderpfad wieder zum Auto hinab.
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Depotsuche am 27.Mai
Wir starten relativ zeitig am Samstag Morgen, weil wir den Umweg und den Klettersteig vor uns haben und nach hinten raus keinen Stress haben wollen. Vom Bodensee geht es erst einmal quer durch den Schwarzwald gen Westen. In der Rheinebene überqueren wir bald die Grenze und können schon langsam den Vogesen-Kamm ausmachen. Unser erstes Depot, welches wir anfahren, ist auf unserere Trekkingtour das letzte der drei Depots.
Entspannt erreichen wir den Col Du Bussang und parken unser Auto auf einem wilden Wanderparkplatz, der kostenfrei ist. Der Klettersteig nimmt am Ende keine zwei Stunden in Anspruch. Am Auto wieder angekommen, habe ich schon in der Ferne eine Bauruine ausgemacht. Wir fahren mit dem Auto hin und inspizieren diese genauer. In der Ruine bietet sich keine Möglichkeit, den roten Ortliebsack vor Mensch und Tier zu verstecken. Jedoch fällt mir an der Außenwand des Gebäudes eine mit Grad überwucherte Eisenplatte am Boden auf, wo früher Wasserleitungen und -hähne installiert waren.
Die Klappe geht auf und bietet genug Platz für den Sack. Außerdem ist es hier kühl und dunkel. Verderbliche Nahrungsmittel sind sowieso nicht im Sack. Da noch offene Durchgänge in die Ruine sind, stopfe ich diese mit Steinen und Dreck. So ist es fast auszuschließene, dass auch kleine Nager an die Säcke kommen können. Wir schließen die Klappe wieder und bedecken diese mit Sand. Sicherer kann das Versteck nicht sein. Wir setzen einen Marker bei Garmin und sind auch bald auf dem Weg zum 2.Depot. Col de la Schlucht scheint in den Vogesen ein Begriff zu sein. Samstag Mittag an einem sonnigen Tag ist es für uns die Hölle.
Überfüllte Parkplätze, Menschenmassen, keine Möglichkeit, irgendwo ein Depot zu finden. Wir parken Richtung Norden und in einem ruhigen Moment krallen wir uns den Sack und verschwinden schnell im Unterholz. Dieses Mal gehen wir ein paar Meter weiter in den Wald hinein. Nach kurzem Suchen finden wir bald eine tolle Stelle. Viel Totholz, viele Steine. Mit der Schaufel grabe ich ein ca. 50cm tiefes Loch. Der Boden ist sandig locker und mit Steinen durchsetzt. Ich lege den Sack hinein und beschwere diesen nun mit den Steinen und dem Aushub. Oben drauf kommen noch dicke Stämme und Geäst, die hoffentlich das Wild fernhalten werden.
Unser letztes Depot ist am Col Du Bonhomme. Da wir dieses in etwa drei Tagen erreichen werden, deponieren wir frisches Gemüse wie Gurken und Äpfel im Sack. Am nördlichen Parkplatz halten wir Ausschau. Immer wieder kommen Autos und Menschen vorbei. Wir machen uns mit dem Abchecken und Herumsträunen schon verdächtig. Da wir mit dem Sack nicht einfach vom Parkplatz weglaufen können, er würde zuviel Aufsehen erregen, steigen wir ins Auto und fahren ein Stück den Forstweg hinein. Nach 100 Metern kommt eine Wendeschleife im Wald. Hier ist es ideal. Es liegt viel Holz herum und auch ein großer Schutthaufen ziert den Waldboden.
10 Minuten später hat dieser Schutthaufen ein Riesenloch und der letzte Sack wird vorsichtig deponiert und dann mit einer dicken Schicht von 30 cm Schutt zugedeckt. Wieder kommen dicke Baumstämme und hartes, langes Geäst als äußerer Schutz vor Tieren drauf. Auf der Fahrt zum Startort nach Sainte Marie diskutieren wir ausgiebig darüber, welcher Sack es wohl überleben würde und welche Tierspuren wir wohl sehen würden. Eines ist uns klar: Würde einer dieser Säcke fehlen, dann müssten wir ins Tal, um Proviant zu besorgen. Wenn jedoch nur Teile der Lebensmittel von Tieren gefressen wurde, könnten wir die Tour sicher trotzdem fortsetzen. Wir sind also gespannt und freuen uns nun auf die kommenden Tage.
Abschnitt Sainte Marie Aux Mines – Depot 1 | 28.Mai bis 30.Mai
Wir frühstücken erst einmal gemütlich. Am ersten Tag nehme ich mittlerweile schon bei der Planung den Druck raus. Früher mussten gleich 30 Kilometer und 3000 Höhenmeter auf der Uhr stehen. Die Erfahrungen haben aber gezeigt, dass man sich langsam wieder an die Strapazen gewöhnen muss, damit der Urlaub auf lange Sicht ein Genuss wird. Während Täve noch chillt, sortiere ich die Sachen. Was muss mit, was kann im Auto bleiben. Der Tag beginnt heiß, ich plane also viel Trinkwasser ein. Bald stehen wir mit unserem Auto am geplanten Parkplatz. Doch dieser ist ungeeignet, da man nur tagsüber hier kostenfrei parken darf. Nach kurzem Suchen werden wir 50 Meter entfernt fündig. Ein schattiger Parkplatz am Rande eines Wohngebietes.
Die Schuhe sind geschnürt, die Rucksäcke geschultert, die Laune am Überkochen. Wir starten von 400 Höhenmetern und begeben uns bald in waldiges Terrain. Im Schatten lässt es sich angenehm laufen, doch in den sonnigen Abschnitten werden wir uns schnell bewusst, wie heiß es heute doch ist. Irgendwann verlassen uns die Bäume und erst in einem Kilometer ist wieder Schatten in Sicht. Ein wenig wundert mich der Fakt, dass ich seit langen kein Wasser mehr erblickt habe. Es wird wohl heute nicht an einem geeigneten Platz scheitern, sondern am Wasser. Wir haben es noch zeitig am Nachmittag und haben bald die Kammhöhe von 825 Metern erreicht. Keine 6 Kilometer, aber die Aussicht hier oben ist ein Traum und wir finden auch gleich ein tollen Spot.
Ich mache mich also auf die Suche nach Wasser. Im Garmin sind zwei Flüsse eingezeichnet, jedoch mit dem Hinweis „saisonal“ vermerkt. Bei dem heißen Wetter ist die Hoffnung getrübt, da was zu finden. Ich bin keine 100 Meter gelaufen und bleibt auf einmal erstarrt stehen. Klar, ich höre da ein leises Rauschen in der Ferne. Genial, ich folge also dem Geräusch und stehe wenig später vor einem tollen Bach, der genügend Wasser bietet. Den Rest des Tages verbringen wir mit Zelt aufbauen, entspannen, fotografieren und irgendwann dann auch mit Essen zubereiten. Der Platz bietet so tolle Aussicht und Ruhe, die auf einmal von einem Einheimischen gestört wird. Er kann leider nur französisch, weist aber auf ein kleines Schild im Wald hin, welches in fünf Meter Höhe hängt.
Ja, da steht „privè“ drauf. Mit meinen Sprachkenntnissen weiß nun auch ich, dass es sich hier um ein Privatgrundstück handelt. Er ist der Besitzer. Am Ende gibt er uns zu verstehen, dass er nur nachschauen wollte, wir aber bleiben können. Er bietet uns noch Wasser an, aber wir bedanken uns. Es ist nicht meine Absicht, Regeln zu brechen und wir wären auch weiter gelaufen, aber so dürfen wir den tollen Platz weiter genießen, den Täve mit einem Schmunzeln auf „Privé-Camp“ tauft. Nach dem Abendessen wird unserer Hobo zum Mittelpunkt. Wir quatschen und spielen Karten. Der Abend ist angenehm warm, wir sind beide frisch geduscht und verbuchen den ersten Tag als guten Start in die Tour.
Am nächsten Morgen sind wir keinen Kilometer gelaufen, da gibt es schon wieder Anlass zur Pause. Direkt am Weg befindet sich eine alte, verfallene Bunkeranlage aus dem zweiten Weltkrieg. Wir zücken die Stirnlampen und inspizieren die im Wald verstreuten Gebäude. Hier gibt es auch ein Pavillon mit Grillstelle. Wasser habe ich hier nicht gefunden, aber man hätte durchaus hier campen können. Wir ziehen bald weiter und bewegen uns immer weiter gen Süden. Es läuft sich entspannt und wir steigen sanft nur noch 200 Höhenmeter auf, die wir gegen Nachmittag auch schon wieder vernichtet haben. Eigentlich läuft es sich super, aber wenn wir nun noch weiter gehen, kommen wir schon zum ersten Depot. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Wir beziehen also noch 9 Tageskilometer ein Camp direkt auf dem Weg, keine zwei Kilometer vom ersten Depot entfernt. Ich hatte auf dem schmalen Pfad einige Minuten zuvor im Steilhang ein Rinnsal ausgemacht. Hier ist nun der Pfad gerade mal so breit, dass auch ein Zelt hinpasst. Sogar eine kleine Wiese bietet uns genügend Freiraum, so dass auch noch Wanderer den Weg passieren können. Also satteln wir ab und ich begebe mich auf eine waghalsige Trinkwasserbeschaffung. Ich steige fast bis zur Straße im Unterholz ab, weil dieses Rinnsal so klein ist, dass ich keine Möglichkeit finde, Wasser abzuzapfen. Nach langen Suchen finde ich eine geeignete Stelle und darf nun wieder mit dem prall gefüllten 10L Liter Sack den steilen Hang hinauf. Am Camp erwartet mich Täve schon sehnsüchtig.
Einige Wanderer kamen schon des Weges und hatten ihn angesprochen. Dieser Sport bietet uns dieses Mal nicht so geniale Aussicht, aber dieses Mal ist das Camp dafür legal. Es kommen heute keine Wanderer mehr und wir breiten langsam unsere Klamotten aus. Feuerholz liegt direkt am Weg, alles ist also hergerichtet und wir waschen uns die Arbeit des Tages vom Körper. Heute können wir wieder schlemmen, weil morgen die neue Proviantsack auf uns wartet. Nach dem Abendessen werden also unverzüglich die Genusswaren aufgetischt und vernascht, nicht, dass sie noch schlecht werden. Wir sitzen noch lange am Hobo und bleiben bis spät in die Nacht wach.
Wir sind voll gespannt, was uns in fünf Minuten erwarten wird. Das erste Depot liegt vor uns. Von weiten sieht alles so aus, wie wir es paar Tage zuvor verlassen hatten. Oberirdisch also alles tippi-toppi, hoffentlich auch unter Tage. Kaum zu glauben, die blaue Mülltüte als Indikator ist völlig unversehrt. Wir schleppen die Überraschungspakete zum nahegelegenen Parkplatz und machen dort große Pause. Es ist wie Ostern und Weihnachten zugleich. Wir wissen nicht mehr, was wir damals in die Säcke verstaut hatten, also lassen wir uns überraschen. Wir entsorgen unseren Müll und die Umverpackungen und verpacken den Proviant. Super, nun ist mein Rucksack wieder ordentlich schwer und nach der Pause wird es 300 Höhenmeter aufwärts gehen. Das motiviert doch mal.
Abschnitt Depot 1 – Depot 2 | 30.Mai bis 01.Juni
Wir folgen nach der Pause der Straße D148 gen Süden und lassen diese dabei rechts liegen. Ein schattiger Weg führt uns ohne großen Höhenunterschiede zur Talstation von Lac Blanc. Ab hier geht es nun ordentlich hoch. Die Umgebung hier gefällt uns sehr gut. Viele Flüsse, offene und sonniger Wald und viele Spots für unser Zelt. Wir steigen langsam auf und müssen nun ein Teilstück sogar auf dieser D148 entlanglaufen. Doch bald verschwindet der Pfad wieder im Unterholz. In Gesprächen vertieft haben wir dann die 200 Höhenmeter schnell bewältigt und machen erst einmal Pause. Es sind zwar noch weitere 100 Höhenmeter, aber es ist auch schon ein Ziel in Sicht. Weit kann es nicht mehr sein, denn wir wollen oberhalb des Lac Blanc’s zelten. Nun folgt ein sehr schöner Abschnitt. Die Bewaldung nimmt ab, nur noch Büsche und kleine Bäume zieren den Weg.
Immer mehr zeigt sich die Landschaft und die Ferne. Unter uns thront der Lac Blanc, den wir links liegen lassen. Staunend bewältigen wir den schmalen Pfad und erblicken dabei die ersten Gämse. Es ist gegen späten Nachmittag als wir die Quelle oberhalb des Sees erreichen. Hier pausieren wir noch einmal, in der Nähe werden wir wohl unser Camp aufschlagen. Gesagt, getan – ein kleiner Märchenwald bietet genug Blickschutz, genügend Sonne und genügend Holz für ein Feuer. Es ist immer noch sehr heiß und die Abendsonne wärmt, sodass wir gleich nach dem Zeltaufbau duschen gehen. Nun gehört der Abend uns. Wir entspannen, lassen den Tag Revue passieren, diskutieren über das heutige Abendessen und freuen uns schon auf den gemütlichen Teil bei Süßigkeiten, Cola und einer Flasche Wein.
Wieder einmal strahlend blauer Himmel, wir kommen zur gewohnten Zeit gemütlich los. Gestern waren es 11 Kilometer, wir können uns noch steigern. Klar, ist das nichts, aber wer hetzt uns denn? Wer sagt uns, was viel oder wenig ist? Wir lassen uns treiben und schauen, wo wir heute landen werden. Wir durchschreiten nun erst einmal das Réserve Naturelle de Tanet-Gazon du Faing. Dieser Abschnitt ist Richtung Westen sehr offen und sanft abfallend, in Richtung Osten steile Klippen und Seen an der Talsohle. Es ist sehr windig und kalt, nur im Windschatten der Felsen kann man sich in den Pausen aufwärmen. Oberhalb von Lac Vert streifen wir die Straße D61. An solchen Punkten merkt man immer die Zunahme der Wanderer. Bald lassen diese aber wieder nach, wir verschwinden nach der Pause ins Unterholz.
Über den Gipfel Le Tanet geht es vorerst auf offenen Fläche weiter. Hier oben auf dem Kamm ist Trinkwasser echt rar. Bei Wurzelstein pausieren wir erneut, ich möchte einer Spur auf dem Navi nachgehen. Etwas unterhalb und westlich des Kammweges soll es eine Quelle geben. 400 Meter entfernt werde ich fündig. Leider ist die D61 nur 100 Meter entfernt, aber der Verkehr hält sich in Grenzen und wird zum Abend hin ja nochmals ruhiger. Direkt neben der Quelle bauen wir unser Zelt auf, schön schattig unter einem Baum. Heute sind es nur 10 Kilometer geworden, es bleibt also viel Zeit, um das kleine Rinnsal anzustauen. Das macht sogar Erwachsenen Spaß und ich kann Täve als Initiator vorschieben, wie praktisch.
Vorm Abendessen duschen wir uns noch in der warmen Sonne. Ich gönne uns heute sogar eine warme Dusche, damit der Dreck der letzten Tage auch wirklich mal weggeht. Wir können heute beim Abendmahl wieder aus den Vollen schöpfen, denn Col de la Schlucht und unser zweites Depot steht morgen früh auf dem Plan. Wir sinnieren über den Zustand des Packsackes am Depot. Die Wetten sehen nicht gut aus, aber sind voller Hoffnung. Aktuell kommen wir gut mit dem Proviant hin und haben gut geplant. Es ist sogar ein kleiner Überschuss vorhanden. Obwohl unser Camp direkt an einem Wanderweg liegt, haben wir den Abend idyllisch für uns und können eine weiter laue Nacht im Zelt ruhig einschlafen.
Nach dem Frühstück stapfen wir motiviert in Richtung Depot Nummer zwei. Nach anderthalb Kilometern stehen wir an dem Parkplatz. Mitten in der Woche ist heute weniger los. Wir laden unsere Rucksäcke ab und suchen nun den Proviantsack. Selbstsicher gehen wir den Weg ohne Navi in den Wald hinein und müssen dann doch etwas suchen, um die Stelle wiederzufinden. Sie ist immer noch so abgedeckt, wie wir sie hinterlassen haben. Ich räume die vielen Steine und dicken Stämme weg und auch dieser Sack ist völlig unversehrt. Kaum zu glauben. Wir füllen die Rucksäcke mit dem Proviant auf und verteilen es auf beide Rucksäcke. Täve bekommt die Tagesverpflegungen, ich den Rest. Wir stärken uns noch einmal richtig, denn gleich geht es 150 Höhenmeter hoch.
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Abschnitt Depot 2 – Depot 3 | 01.Juni bis 04.Juni
Da wir uns auf dem Weg zu einem bekannten Ausflugsziel befinden, nehmen auch wieder die Tageswanderer zu. Im Aufstieg können wir leider keine Konkurrenz, doch als wir aus dem Wald kommen, treffen wir auf erstes Schlachtfutter. Anspruchsvoll und fordernd ist der nun folgende Weg nicht mehr. Es sind zwar kleine Pfade auf breitem Terrain, doch wir können uns voll auf den Ausblick konzentrieren. Bald schon sehen wir die sanfte Kuppe des Le Hohnecks mit 1363 Metern einer der höheren Gipfel hier in den Vogesen. Täve ahnt schon schlimmes und stellt die logische Frage, ob es denn auch da hoch geht. Es sind zwar nur 100 Höhenmeter, aber wir ersparen uns den Touristenmagnet. Während alle links zum letzten Aufstieg abbiegen, gehen wir in Richtung Spitzköpfe weiter. Dort pausieren wir noch einmal und schauen einer Gruppe Gämse zu, die sich gut getarnt zwischen den Felsen verstecken.
Eigentlich war ab hier der Abstieg nach Osten geplant. Wir wollten 500 Höhenmeter zum kleinen See Fischboedle hinunter. Dort wollten wir zwei Nächte bleiben und einen Tag davon relaxen. Täve gefielen aber die 500 Höhenmeter nicht. Wir gehen also weiter auf dem Kamm und haben uns den Lac de Blanchemer ausgesucht. Dieser See liegt im Westen nur 200 Höhenmeter tiefer. Vorbei am Kastelberg steigen wir schon bald steil im Wald zum See ab. Dort angekommen, umlaufen wir das Ufer südlich und finden auf einer kleinen Halbinsel eine schöne Wiese mit Sitzbank und ein schattiges Plätzchen für unser Zelt. Das soll nun unser Spot für zwei Nächte sein. Perfekt!
Wir sortieren uns und packen alles entspannt aus. Es waren heute 11 Kilometer mit aussichtsreichen Abschnitten, wirklich anstrengend war es nicht. Ich verpulvere also meine Energie mit Holz sammeln in der näheren Umgebung. Unweit von uns befindet sich ein kleines Schutzhäuschen mit Trockenklo, davor gibt es eine Picknickstelle, die wohl der Hauptanlaufpunkt für Tagestouristen ist. Im See kann man super baden. Im See schwimmen bis zu einen Meter große Karpfen. Ich wusste gar nicht, dass sie so groß werden können. Außerdem hat der See noch was sehr spektakuläres zu bieten. Im See schwimmen zwei riesengroße Sumpfinseln, wo sogar Bäume und Büsche drauf wachsen. Da sie freischwimmend sind, tummeln sich darunter viele Fische.
Beide Inseln sind jedoch mit Stahlseilen am Ufer fixiert, damit diese nicht auf den See treiben. Später gehen wir noch in den See baden, sehr erfrischend und die Sonne wärmt uns perfekt. Ein schöner Sommertag geht zu Ende und Täve freut sich schon auf den morgigen Tag und erinnert mich daran, dass er mal ausschlafen will. Wir genießen am Hobo die tolle Abendstimmung. Die Sonne geht langsam unter und immer wieder ergibt sich ein neues Bild. Das Abendessen ist längst verzehrt, der Appetit schreit nach Genussmittel. Nur rein damit Täve. Was er ist, muss ich nicht mehr tragen. Enten belagern uns und zeigen eine gewisse Dreistigkeit in ihrer Essensbeschaffung. Sie kommen uns und dem Zelt sehr nahe.
Wir schlafen heute echt lange aus. Während ich erst 9 Uhr aufstehe, folgt mir Täve erst gegen 10 Uhr. Die Sonne steht noch hinter uns und im Zelt ist es angenehm kühl, da wir unter einem schattigen Baum stehen. Ich genieße meinen Kaffee vorm Zelt und die Ruhe am See. Andere Wanderer haben hier auch am See geschlafen und langsam trudeln auch schon die ersten Tagestouristen ein. Alles geht heute für uns entspannt zu. Ich wasche Klamotten, bringe den Müll weg, sammle Feuerholz und fotografiere ein wenig. Später gehen wir noch einmal um den See und entdecken die zweite freischwimmende Insel. Den Rest des Tages entspannen wir und im Halbschatten halten wir ein Mittagsschläfchen.
Auch die zweite Nacht am See haben wir super geschlafen. Frisch erholt gehen wir den 250 Höhenmeter Anstieg an. Ich motiviere Täve damit, dass es danach bis Wildenstein nur noch bergab gehen würde. Eigentlich wollten wir uns gestern mit Freunden am See treffen, die hier in der Gegend auch wandern gehen. Ein paar Tage später sollten wir dann erfahren, dass wir uns am Col d‘ Etang um ein paar Minuten verpasst hatten. Ab hier geht es nun steil im Wald bergab. Erst führt ein schmaler Pfad am Bach entlang, bald wird der Weg breiter und sanfter. Bald treffen wir auf die D138 und ab Wildenstein müssen wir dieser auch noch zwei Kilometer folgen. Der Ort ist wie ausgestorben. Es fehlen nur noch die Strohballen, die vom Winde über die Straßen getragen werden.
Am nördlichen Ende des Stausees scheint das Ziel greifbar nah zu sein, denn am südlichen Ende befindet sich der Campingplatz Schlossberg. Es sind aber noch zähe drei Kilometer am Westufer entlang. Nicht sonderlich anstrengend, aber hier unten in den östlichen Ausläufern ist es ordentlich heiß. Wir ziehen durch und nutzen am Weg jeden möglichen Schatten aus. Eigentlich war kein Campingplatz angedacht, aber unsere zwei Powerbanks sind fast alle und wir müssen diese aufladen. Ich werden für die Entscheidung bestraft, kein Solarpanel mitgenommen zu haben. Täve wird mich daran später noch mehrmals erinnern. Jeder weiß ja, wie sehr wir Campingplätze mögen.
Wir verziehen uns in die letzte Ecke des Platzes und suchen uns eine Stelle im Bereich, wo es keinen Stromanschluss gibt. So distanzieren wir uns von den großen Wohnmobilen und Wohnwagen, die ohne Strom nicht auskommen. Gegen Nachmittag packen wir unsere Sachen aus und richten uns ein. Die meisten Camper sitzen in ihren Stühlen vor ihrem zweiten Zuhause und beobachten uns. Schon jetzt möchte ich mein Zelt wieder abreißen. Während unsere Powerbanks laden, spazieren wir entspannt in den nächsten Ort Kruth. Wir haben noch genügend Proviant, gönnen uns aber im Dorfladen eine Cola und leckeren Kuchen. Primär brauche ich aber Zigaretten. Wow, hier ist der Spaß mit 11 Euro für eine Schachtel richtig teuer. Wird Zeit, dass ich damit aufhöre.
Zurück am Campingplatz suche ich etwas Holz. Man darf hier Feuer machen und mein Hobo entspricht den Vorgaben. Es ist noch nicht Zeit zum Abendessen und wir haben auch noch keinen Appetit. Also zögern wir es hinaus und spielen Karten. Ich kenne es von den Erzählungen meiner Eltern, die gerne campen gehen. Hier werden wir live in dieses sehr verbreitete Ritual eingeweiht. Wenn man als Camper nichts zu tun hat, spaziert man ganz langsam und entspannt über den Platz und schaut sich alles genau beim Nachbarn an. Je langsamer der Schritt, umso mehr kann man erkunden. Leider blieben die vor unserem Zelt fast stehen.
Klar, kennen Camper keine Privatsphäre. Die Luxusteile stehen ja im Zentimeterabstand auf dem Platz. Ich jedenfalls bin satt und Täve anscheinend auch. Er baut mit den Wanderstöcken und unseren Handtüchern einen Sichtschutz. Ja, ohne Worte kann man es nicht besser zeigen, was man von dem Ganzen hier halten soll. Am Abend dann das gleiche Bild an jedem Camper mit Kindern. Im Camper läuft der Fernseher und die Kinder sitzen drin, draußen hocken die Eltern und wollen oder kriegen ihre Ruhe. So sieht Familienurlaub aus. Für uns Beide ist das alles hier nicht nachvollziehbar, aber Jeder soll ja seinen Urlaub so verbringen, wie er möchte. Wir sind hier morgen wieder weg.
Zeitig verlassen wir den Campingplatz, die Powerbanks sind voll und unsere Akkus auch. Die brauchen wir auch, denn nach einem kurzen Südgang im Tal müssen wir wieder 500 Höhenmeter hoch auf den Kamm. Wir folgen einem breiten Fahrweg, der bald im nirgendwo endet. Da der GPS-Empfang hier sehr schlecht ist, deutet mein Navi an, dass wir aber richtig sind. Im Unterholz suche ich nach einem Weg, finde aber nur Müll und unwegsames Gelände. Erst der Blick zurück auf dem Weg offenbart einen kleinen Pfad, der uns nun auf richtigem Weg weiterführen soll. Im Wald folgen wir parallel zur D1381 einer kleinen Forstpiste, die ab und an in einen Bergpfad übergeht.
Bei Col d‘ Oderen haben wir den Anstieg geschafft. Nun geht es auf leicht hügeligem Terrain weiter und bald 200 Höhenmeter bergab. Wir wollen heute noch Col Du Bussang und somit das letzte Depot erreichen. Unser Plan sieht vor, bis kurz vor das Depot zu laufen und dort nach einem Camp zu suchen. Wir würden dann unsere Rucksäcke deponieren und zum Depot gehen und die Sachen holen. Zwei Kilometer vorm Ort finden wir am Wegesrand eine kleine Stelle. Seitlich im Gelände ist es unmöglich, da es keine ebene Stelle gibt. Hier am Weg ist aber noch genug Platz, um zu passieren. Eine Wasserstelle gibt es weiter oben auch, also verstecken wir unsere Rucksäcke und laufen in den Ort.
Bergab geht es leichten Fußes. Mir graut es dann schon vorm Rückweg. Am dritten Depot angekommen, finden wir auch wieder alles im von uns hinterlassenen Zustand vor. Wir räumen den Dreck von der Eisenplatte und öffnen diese vorsichtig. Außer Schnecken finden wir keine Tiere, die sich über unseren Proviant hergemacht haben. Im Depot befindet sich auch eine kleine Flasche Benzin. Wir verstauen alles im Rucksack und gehen zurück zu unserem Camp.
Abschnitt Depot 3 – Belfort | 04.Juni bis 08.Juni
Am Camp angekommen, nutze ich gleich die Betriebstemperatur und schnappe mir den Wassersack. Ich laufe den Weg weiter hoch und fülle den Sack ordentlich voll. Heute waren es tatsächlich 16 Kilometer. Dies merkt man auch, dass der frühe Abend angebrochen ist. Wir machen also mal ein bisschen Dampf und kurz darauf ist alles hergerichtet. Das Zelt steht, Täve hat Holz gesammelt, nun wird es Zeit sich zu waschen. Wir beide hoffen, dass wir nun nicht splitternackt auf dem Weg auf Wanderer treffen. Später sortieren wir noch den Proviant. Wir sind heute wählerisch und entscheiden uns zur Abwechslung mal für Kartoffelbrei mit Fleischsoße. In der Dämmerung genießen wir das Abendmahl und später die neuen Genussmittel. Täve hat heute wieder ordentlich mit gemacht und selten genörgelt. Ich bin echt stolz auf ihn.
Nach Bussang geht es noch einmal kurz bergab, bevor wir uns mit samt unserem erneut schweren Gewichts in den 500 Höhenmeter Anstieg werfen. Die Steigung nimmt mit jeder Kurve zu. Wir meiden die breite Fahrstraße und entscheiden uns für den kleinen Wanderpfad, der ordentlich steil ist. Wir haben Zeit und im schattigen Wald pausieren gehört zum Ritual dazu, wenn die Pumpe grad am Aussetzen ist. Am höchsten Punkt auf 1100 Metern Höhe stehen wir bald vor einem kleinen Pavillon, dass auch gut als Schutzhütte dienen könnte. In der Nähe finden wir kein Wasser, aber der Ausblick auf Bussang ist fantastisch.
Wir begeben uns nun auf einen sanften Abstieg und können wieder gleichzeitig laufen und reden. Bald verlassen wir den Wald und stoßen auf offenes Gelände. Weite Wiesen, die von Bäumen eingrenzt werden. In der Ferne können wir die verfallene Ruine von La Chaume Des Neufs Bois erblicken. Dort angekommen, offenbart sich uns ein toller Ausblick auf drei Seen. Für uns steht fest, einer der Seen wird heute unser Camp werden. Zehn Kilometer haben wir heute gemacht und sind nicht wirklich am Ende. Doch solche tollen Spots lässt man nicht links liegen und geht weiter, nur weil das Garmin mehr Kilometer anzeigen möchte. Wir entscheiden uns für den untersten der drei Seen. Er ist so wunderschön und so herrlich einsam gelegen, dass wir gleich direkt entscheiden, hier morgen noch einen Tag zu bleiben.
Ich weiß, dass wir bald auf zivilisierte Gegend stoßen werden und die letzten Tage der Tour im flachen Land sein werden. Dann doch lieber hier einen Tag länger bleiben und das uninteressante, letzte Teilstück mit Bus bewältigen. Wasser müssen wir nicht besorgen und Holz liegt auch in Hülle und Fülle herum. Täve entspannt in der warmen Sonne, die ihm bald zu warm wird. Er nutzt den Regenschirm und ich baue derweil im Schatten unser Zelt auf. Bald heißt es Entspannen und die Ruhe genießen. Im weitläufigen Gelände entdecken wir keine Wanderer, dieses Fleckchen Erde gehört für heute nur uns. Solange die Sonne noch scheint, wollen wir im See baden gehen.
Man muss aufpassen, dass man die Milliarden von Kaulquappen am Ufer nicht alle tottritt. Wirklich zum Schwimmen kommt man in dem See nicht. Der Boden ist so morastig, dass man tief einsinkt. Also legen wir uns im Uferbereich flach hin und kühlen uns so ab. Der Abend ist bald angebrochen und die Sonne färbt die Umgebung in tolle, warme Farben. Für solche Momente gebe ich alles. Wahnsinn, wir sitzen einfach nur in unseren Thermarest-Stühlen und lassen unsere Köpfe kreisen. An unserem exponierten Platz hat man einen tollen Rundumblick. Nach dem Abendessen sitzen wir noch sehr lange am Hobo. Es ist genügend Holz und Genussmittel vorhanden, morgen können wir ausschlafen. Wir haben keinen Druck und gehen erst kurz nach Mitternacht in die Schlafsäcke.
So richtig haben wir heute am zweiten Faulenzertag im Urlaub nichts vor. Vielleicht ein kleiner Spaziergang, chillen, Holz besorgen und Täve kommt noch auf die Idee, eine Fackel zu bauen. Diese Sachen verteilen wir auf den Tag und auch heute treffen wir nur selten auf Wanderer. Am Folgetag geht es nun weiter. Mit einem wirklich langen Auf- wie Abstieg ist erst einmal nicht zu rechnen. Ab Haute Bers verläuft der Pfad direkt an der steil nach Osten abfallenden Bergflanke Richtung Südwesten. Im dichten Wald folgt nun ein traumhafter Abschnitt. Immer wieder können wir an kleinen Aussichtspunkten die Natur genießen. Wir bemerken auch, dass die Bewölkung stark zunimmt und es nach Regen riecht. Wir gehen erst einmal weiter. Auf dem Weg treffen wir auf keine Schutzhütten oder ähnliche Unterstellmöglichkeiten. Wir wollen sehen, was noch kommt. Dann kommt es: ein Starkregen mit Blitz und Donner.
In Sekundenschnelle streifen wir uns die Regenjacken über, ziehen die Regenhüllen über die Rucksäcke uns suchen Schutz unter einem kleinen Felsen. Der Regenschirm ist zu klein für uns beide. Wir quetschen uns zusammen und werden trotzdem ordentlich nass. Der Boden kann das ganze Wasser gar nicht aufnehmen. Es fließen auf einmal Bäche über die Wege. Es regnet sich richtig toll ein. Ich zehre das Zelt heraus und stelle es notdürftig am Weg auf. Das Zelt steht schnell und endlich sitzen wir im Trocknen. Das war eine gute Entscheidung, denke ich jedenfalls nur etwas fünf Minuten. So schlagartig wie es angefangen hatte, hörte es nun wieder auf. Alles war nass, das Zelt aufgebaut und das für fünf Minuten. Ich schreie einmal laut los und Täve lacht.
Da der Himmel nun komplett verdunkelt ist und ich nicht weiß, wann und wie stark es uns noch einmal heimsucht, bauen wir das Zelt schnell ab und wollen in nächster Zeit schnell ein Camp finden. Direkt auf dem Rundkopf, keine fünf Gehminuten entfernt, treffen wir auf eine Picknickbank und ein offenes Plateau. Hier sind super Stellen zum campen. Wir bleiben definitiv hier, da ich mir aufgrund des starken Regen auf jeden Fall Wasser in der Nähe erhoffe. Ich baue das Zelt auf, Täve schlüpft in trockene Klamotten und sucht nun Schutz im Zelt. Ich schnappe mir den Wassersack und erkunde die Gegend. Im Garmin sind viele Wasserläufe eingezeichnet, aber keiner führt Wasser.
Aus dem „Ich hole mal schnell Wasser“ wird bald ein „Mache Dir keine Sorgen, ich bin bald wieder da“. Ich ziehe also Richtung Ballon d‘Alsace los und hoffe, auf oder am Weg bald auf Wasser zu treffen. Am Ende laufe ich doch wirklich bis zum Ballon. Ich bin sowas von ausgetrocknet, dass ich mir erstmal einen ordentlichen Schluck gönne. Ich weiß, dass der Rückweg nun kein Zuckerschlecken wird, gerade weil ich halt weiß, wie bescheiden man mit zehn Liter Wasser vorankommt. Gegen frühen Abend bin ich wieder am Zelt. Der Umweg hat mich vier Kilometer und jeweils 100 Höhenmeter im Ab- und Aufstieg gekostet. Am Zelt erwartet mich Täve schon sehnsüchtig.
Wir waschen uns und genießen nun am Picknickplatz unser Abendessen. Der Himmel klart wieder auf und es soll am Ende wohl der einzige Regen sein, der uns im Urlaub überrascht hat. Es wird die letzte Nacht im Zelt sein. Morgen planen wir den Abstieg von 1200 Metern Höhe auf 500 Meter ins Tal. Wir werden morgen dann Giromagny nach 14 Kilometern erreichen und von dort mit dem Bus nach Belfort reinfahren. Am Abend buchen wir uns noch ein schönes Hotel nahe dem Bahnhof. Übermorgen starten wir dann von hier aus mit dem Zug und Bus in Richtung Startort, wo unser Auto steht. Am Ende läuft alles wie geplant und ohne Zwischenfälle haben wir einen schönen Männerurlaub verbracht.
Mir wird immer mehr bewusst, wie gut wie Beide als team funktionieren. Da geht es nicht nur darum, mit Täve eine helfende Hand zu haben. Bei Kindern reicht es einfach schon aus, dass sie ohne nörgeln und jammern mitziehen. Nicht weil die Eltern die Kinder dazu zwingen, sondern weil die Kids es lieben und aus freien Stücken tun sollen. Täve merkt man dann in einzelnen Situationen genau das an. Er fühlt sich auf dem Campingplatz unwohl, genießt die Ausblicke, gepaart mit Emotionen und teilt mir mit Worten stets mit, wie ihm der Urlaub gefällt. Für sowas nimmt man doch gern jede Art von Strapazen auf sich, oder?